Roman einer Freundschaft
Die Berliner Schriftstellerin Katrin Askan stellt am 22. Mai in Hasborn ihr neues Buch über den Dichter Johannes Kühn und seine Freunde Benno und Irmgard Rech vor
Katrin Askan, DICHTER – Roman einer Freundschaft, Elsinor-Verlag Coesfeld, 400 Seiten, 26,90 €; erscheint am 19. Mai 2025, ISBN 978-3-9427-8891-5
Nach fünf Jahren spricht er wieder. Unbeweglich steht der Dichter im feinen Anzug am Rednerpult, vor sich das Mikrofon und 120 Gesichter. Er räuspert sich. Dann schlägt er die blaue Mappe auf, in der das vorbereitete Gedicht liegt, und liest es vor. Es sind nur ein paar Verse, mit denen sich der Mann dafür bedankt, dass ihm soeben in der Modernen Galerie in Saarbrücken vom Kultusminister der Kunstpreis des Saarlandes verliehen worden ist. Beifall brandet auf. Der Dichter geht zurück zu seinem Platz in der ersten Reihe, wo auch die Freunde sitzen. Dann verschließt er sich erneut, wechselt mit niemandem mehr ein Wort. Es wird nun wieder Jahre dauern, bis er wieder spricht und vor allem wieder schreibt.
Die Szene spielt im Jahre 1988, als der Dichter Johannes Kühn aus Hasborn für seinen Lyrikband „Salzgeschmack“ mit dem Kunstpreis des Saarlands ausgezeichnet wurde. Und tatsächlich verlief die Veranstaltung so, wie die Schriftstellerin Katrin Askan sie in ihrem neuesten Werk beschreibt. Unter dem Titel „Dichter – Roman einer Freundschaft“ bringt die Berliner Autorin am 19. Mai im Elsinor-Verlag in Coesfeld eine biographische Erzählung heraus, die die lebenslange Zusammenarbeit zwischen Johannes Kühn und seinem Schulfreund Benno Rech sowie dessen Ehefrau Irmgard Rech zum Thema hat. Bei einer Veranstaltung der Johannes-Kühn-Gesellschaft stellt sie das Buch mit einer Premierenlesung am Donnerstag, dem 22. Mai, um 19 Uhr im Gasthaus Huth in Hasborn-Dautweiler vor.
Katrin Askan hatte Johannes Kühn und Benno Rech Mitte der 1990er Jahre bei einem Autorentreffen kennen gelernt. Die drei hatten sich angefreundet, und Katrin Askan war danach auch immer wieder im Saarland zu Besuch. Für ihr Buch hat sie zahlreiche Gespräche vor allem mit den Protagonisten geführt, noch ehe Kühn im Oktober 2023 und Rech im September 2024 starben.
Im Roman schildert sie nun ebenso einfühlsam wie zurückhaltend und doch lebendig, wie die beiden als Schüler am Gymnasium des Missionshauses in St. Wendel aufeinander trafen und rasch ihr Interesse an der Literatur als gemeinsame Leidenschaft entdeckten. Als Bergmannssöhne aus dörflichem Milieu waren sie mit dieser Welt nicht vertraut, doch mit großem Eifer eigneten sie sich die Werke bekannter Autoren an und lasen sich bei verbotenen nächtlichen Ausflügen in die Natur wechselseitig Gedichte vor.
Schon damals fühlte sich Johannes Kühn auch selbst zum Dichter berufen. Und Benno Rech war der erste, der seine Poeme las und mit ihm besprach. Er rühmte und verbreitete sie – so blieb es ein Leben lang. Einer schweren Belastungsprobe wurde die Freundschaft ausgesetzt, als Johannes Kühn mit 48 Jahren um 1983 das Schreiben einstellte und in eine melancholische Grundstimmung verfiel. Wie von einem inneren Furor getrieben, fertigte er nun tausende von Zeichnungen an. Mit seinen Familienangehörigen sowie mit den Freunden Irmgard und Benno Rech sprach er aber kaum noch ein Wort.
Katrin Askan schildert diese Periode aus der Perspektive der Freunde, die „lange und ermattende Gespräche“ über den fragilen Gemütszustand des Verstummten führten. „Letztlich kann nichts darüber hinwegtäuschen, was sie doch ganz klarsehen: Johannes ist in einen Zustand der Wortlosigkeit geraten, weil er sich als Dichter für gescheitert hält. Er hatte es ihnen gegenüber oft genug angedeutet, mitunter auch offen gesagt: Dass er versagt habe. Für Irmgard und Benno steht fest, dass er nun offenbar die letzte Konsequenz daraus zog: Er hat das Versagen wortwörtlich, als das Gegenteil von Sagen, aufgefasst und sich in sein Schweigen gehüllt.“
Der Auftritt bei der Preisverleihung in Saarbrücken 1988 unterbrach die qualvolle Isolation nur für kurze Zeit. Die Freunde hofften und setzten nun darauf, den Dichter durch weitere Erfolgserlebnisse wie die Veröffentlichung weiterer Gedichtbände in einem namhaften Verlag wieder ins soziale Leben zurückzuholen, während er sich „im Winkel der Wortlosigkeit verschanzt“ hatte. Am Ende, nach einem Jahrzehnt, gelang dies tatsächlich mit Unterstützung eines klugen Arztes, der nicht nur mit Medikamenten half, sondern auch mit Einsichten: der Dichter leide „an der Gesellschaft, von der er sich nicht gesehen und demzufolge auch nicht angenommen fühlt“, wie es im Roman heißt.
Bald nahm Johannes Kühn das Schreiben wieder auf und erhielt in den folgenden Jahren eine Reihe wichtiger Literaturpreise und andere Ehrungen, so den besonders willkommenen Friedrich-Hölderlin-Preis. Und er erlebte, dass seine Gedichte in mehrere Sprachen übersetzt wurden und vergleichsweise hohe Auflagen erreichten. Die Melancholie verflüchtigte sich – ein guter Ausgang des Romans.
Katrin Askan unterbricht ihre kunstvoll arrangierte Erzählung mitunter durch enzyklopädische Einsprengsel, die sie einer „Künstlichen Intelligenz“ entlehnt und die den realen Zeithintergrund des Geschehens beleuchten. Zudem reflektiert die Ich-Erzählerin in quasi paralleler Sicht ihren eigenen Werdegang als junge Frau aus Ost-Berlin, die zu DDR-Zeiten aus politischen Gründen nicht studieren durfte. 1986 gelang Askan die Flucht nach West-Berlin, sie hat dieses einschneidende Erlebnis später in zwei Romanen verarbeitet. Am Fall der saarländischen Freunde fasziniert sie offenkundig nicht zuletzt die unerschütterliche Opferbereitschaft und Treue Benno Rechs zum Freund Johannes durch alle Höhen und Tiefen ihrer gemeinsamen 75 Jahre. Auch der Ich-Erzählerin erscheint Rech als eine Vaterfigur.
Nach Meinung der Johannes-Kühn-Gesellschaft dokumentiert der Roman „das große Interesse, das Leben und Werk Johannes Kühns auch nach seinem Tod noch finden“. Der Vorsitzende der Gesellschaft, Armin Sinnwell, erklärte, Katrin Askan beleuchte einfühlsam die Konstellation, in der dieses Werk entstanden sei. „Seine große dichterische Begabung hätte vermutlich nicht gereicht, Johannes Kühn über das Schaumberger Land hinaus bekannt zu machen. Ohne den unermüdlichen Einsatz von Benno und (später) Irmgard Rech hätte er kaum die Geltung erlangt, die ihm heute zukommt. Hier hat bedingungslose Freundschaft etwas zustande gebracht, das Menschen in aller Welt beglückt und inspiriert. Die Johannes-Kühn-Gesellschaft, die aus der Mitte der Freunde gegründet worden ist, möchte mit ihrer Arbeit diesen Effekt verstärken. Dabei hilft uns auch dieses Buch, dem wir große Aufmerksamkeit wünschen.“
Die Buchvorstellung beginnt am Donnerstag, dem 22. Mai, um 19 Uhr im Gasthaus Huth in Hasborn-Dautweiler. Dieses Lokal war der Ort, wo Johannes Kühn sich über Jahre täglich außer sonntags mit Benno oder Irmgard Rech traf, um ihnen jeweils drei neue Gedichte zu präsentieren. An seinem Stammplatz in der Ecke des Gastraums, heute ein literarischer Erinnerungsort, hatte er auch viele seiner Gedichte verfasst.
Moderator der Veranstaltung ist der aus Scheuern (Gemeinde Tholey) stammende Prof. Dr. Bernd Scherer, der lange Jahre Intendant des Hauses der Kulturen in Berlin war und vorher leitende Positionen im Goethe-Institut innehatte. Bernd Scherer war in seiner Jugend ein Schüler von Benno und Irmgard Rech und kannte durch sie auch Johannes Kühn und sein Werk schon seit Jahrzehnten.
Premierenlesung
Donnerstag,
22. Mai 2025,
19 Uhr
Im Gasthaus Huth
in Hasborn-Dautweiler
…
Eine Veranstaltung der Johannes-Kühn-Gesellschaft.
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